Einfach mal Kind sein
Rund 120 Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Familien haben ihre Sommer- und Herbstferien im Kinderdorf Pestalozzi verbracht. Dabei haben sie im unbeschwerten Spiel neue Freunde gefunden, eigene Potentiale entdeckt oder sich für Neues begeistert – eine Fotoreportage.

Willkommensabend im Ferienlager Kunterbunt: Ein warmer Sommerabend, der schöner nicht sein könnte. Hinter dem Jugendtreff haben die Kinder ein Feuer entfacht, über das sie nun ihre Schlangenbrote halten. Noch bevor sich die Sonne komplett hinter dem Haus verstecken konnte, waren die ersten Brote bereits angekohlt. Faszination Schlangenbrot – für einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein Novum. Auf der Slackline, beim Billard spielen oder im Musikzimmer lernen sich die Kinder besser kennen. In manchen Gruppen wird laut gelacht, andere gehen es bedächtiger an und gehen etwas zaghafter auf Tuchfühlung.

Ferienlager Action & Fun: Die Teilnehmenden sind keine Kinder mehr, sondern Jugendliche. Am Dienstagmorgen taucht die erste Gruppe ins Radiomachen ein. Dabei wird schnell klar: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wollen mehr, als nur an der Oberfläche kratzen. Für ihre Beiträge setzen sie sich beispielsweise mit den Themen Rassismus, Gruppenzwang/- dynamik oder mit der Finanzkrise auseinander – Themen, die sie von sich aus aufs Tapet gebracht haben. Am späteren Freitagnachmittag werden sie mit ihren Inputs live on air sein.

Wie fühlt es sich an, diskriminiert zu werden? Was für Vorurteile haben wir gegenüber anderen, ohne uns dessen wirklich bewusst zu sein? Mit solchen Fragen haben sich die Jugendlichen im Workshop Anti-Diskriminierung beschäftigt. Die Pädagog*innen starten den Tag spielerisch mit einer Aufwärmrunde. Danach folgt eine Übung, bei der es darum geht, radikal ehrlich zu sein: Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer bekommt eine Person zugeordnet, die auf einem Blatt für sie unsichtbar an ihrem Rücken klebt. Dann werden Assoziationen dazu gesammelt, die in der Gesellschaft bestehen. Die Übung wird aufgelöst, indem sich jeweils eine Person nach der anderen in die Mitte der Gruppe setzt und mit allen gesammelten Vorurteilen konfrontiert wird.

Jeder kann, niemand muss: Dieses Motto zieht sich durch alle Aktivitäten der Ferienlager und gilt auch beim Mundharmonika-Workshop. Nach einer kurzen Einführung ins Instrument und ins Einmaleins der Töne haben die Jugendlichen Zeit, einen eigenen Auftritt für den Pestalozzi-Song-Contest zu kreieren.

Die vorherrschenden Ungerechtigkeiten auf der Welt sind so gross, dass sie für Jugendliche nur schwer zu fassen sind. Genau dieser Herausforderung nimmt sich das Spiel «Fair Battle» an. In einem Fussballspiel spielen indische Näherinnen und Kindersoldaten gegen Grossgrundbesitzer und Börsenmakler. Im Prozess bis zum eigentlichen Spiel vertiefen sich die Jugendlichen in ihre Rollen und überlegen sich, wie sich die Möglichkeiten des jeweiligen Charakters auf den Spielstil auswirken. Auch hier kommt ein wichtiger Leitsatz des Kinderdorfes zum Tragen: Nur was man selber erleben und erfahren kann, bewirkt etwas im Inneren.

Teilnehmende aus dem Sommerlager, die im Herbstlager wiederkommen, sind für die Stiftung Kinderdorf Pestalozzi wohl die schönste Bestätigung dafür, dass die Ferienlager gefallen haben. Ihre Begeisterung drücken die Jugendlichen auch in gemeinsamen Tänzen aus, die sie in ihrer Freizeit einstudiert haben und später im Dorf aufführen.