Realisieren, dass man es kann

04.09.2020 - 11:39 | Christian Possa

Wer kann mit zwölf schon von sich behaupten, eine eigene Radiosendung mitzugestalten? Tobias kann. Er ist einer von neun Teilnehmenden im Projekt «Mobile Reporter».

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Als mobiler Reporter hat Tobias gelernt, mit wildfremden Menschen Interviews zu führen.

Tobias hat ein breites Spektrum an Hobbys. Er mag Karate, Kitesurfen, Wassersport im Allgemeinen, er liest oft, zockt wie viele in seinem Alter gerne Computerspiele, ist fasziniert von ferngesteuerten Dingen und lässt darum regelmässig seine Drohne in die Lüfte steigen. Apropos Höhe – hoch hinaus will der Zwölfjährige auch beruflich. «Nach dem Gymnasium will ich einen Master machen. Was danach kommt, schauen wir noch, vielleicht Schauspieler, Herzchirurg oder Geschäftsmann mit eigener Firma.» Sicher ist sich Tobias, dass ihm das Radiomachen auf seinem Weg zugutekommt. «Als Radiomacher habe ich gelernt, mich so auszudrücken, dass mir die Leute zuhören.»

Und wie ist der Junge aus dem Hinterthurgau zum Radio gekommen? Über die Technik. Seine Mutter schickte ihn und seinen Bruder an die Digiweek ins Kinderdorf. Dort kam er mit powerup_radio in Berührung, und der Funke sprang über. Es ist aber nicht nur der technische Aspekt, den Tobias mag. Die Musik ist für ihn fast noch wichtiger. «Wenn man einen Beitrag realisiert und passende Musik dazu sucht, kann man viel Neues entdecken.» Und dann ist da noch eine dritte Komponente, die ihn am Radiomachen fasziniert: die Möglichkeit, anderen in einem Beitrag eigene Interessen näherzubringen und Zusammenhänge zu erklären. «Ich will, dass diejenigen, die zuhören, auch verstehen, wie etwas funktioniert.»

Aktuell erarbeitet Tobias einen zehnminütigen Beitrag für die nächste Sendung. Es geht um Computerspiele, genauer gesagt um die Frage, wie diese programmiert werden. Keine leichte Aufgabe. Aber Tobias mag Herausforderungen, und er hat an Workshops im Kinderdorf gelernt, wie er komplizierte Sachverhalte vereinfachen kann und worauf es bei Interviews zu achten gilt. Dieses Mal soll es aber ein reines Erklärstück werden. Tobias begründet dies ganz offen. Es sei schwierig gewesen, in seinem Umfeld eine ausgewiesene Fachperson zu diesem Thema zu finden. «Und Firmen anzufragen, habe ich mich nicht getraut.» Diese Aussage darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Zwölfjährige in seinen knapp neun Monaten als mobiler Reporter schon manche Herausforderung angenommen hat. Dass er sich beispielsweise getraut hat, in einer englischsprachigen Livesendung im Kinderdorf ein Interview zu führen, versetzt die Radiopädagogin Mariel Diez immer noch in Begeisterung. «Es sind starke Momente, wenn unsere mobilen ReporterInnen Neues ausprobieren, anstatt zu sagen: ‹Lieber nicht.›»

Susan Hamilton steht voll und ganz hinter dem Projekt und unterstützt ihren Sohn nach Kräften. «Seit dem Start im November ist Tobias schon spürbar selbstständiger geworden.» Zu Beginn habe sie ihn noch bei der Struktur unterstützt. Aber eigentlich habe er von Anfang an alleine arbeiten wollen – mit allen Konsequenzen. «Zum Glück hat er sich gewehrt und sich durchgesetzt», findet sie rückblickend. «Ich denke, dies ist ein wertvoller Lernerfolg, er merkt, er kann die Aufgaben alleine bewältigen.» 

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