Wie lokale Lerninhalte Identität schaffen

Die Kinder der Urak Lawoi haben keinen Zugang zu relevanter Bildung, die ihre Identität sowie ihre soziale und kulturelle Sicherheit fördert und diskriminierendes Verhalten bekämpft. Genau hier setzt unser Projekt an – mit Erfolg, wie ein Besuch vor Ort zeigt.

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Halimah Wayladee, Schülerin: «Ich bin sehr stolz darauf, ein Mitglied der Gemeinschaft auf Koh Lanta zu sein, nachdem ich die verschiedenen Kulturen auf der Insel kennen gelernt habe.»

Das indigene Volk der Urak Lawoi lebt dort, wo andere Ferien machen: auf Koh Lanta, einer Inselgruppe in der südthailändischen Provinz Krabi. Die malerische Landschaft täuscht darüber hinweg, wie herausfordernd das Leben der gebürtigen Seenomaden in der mittlerweile hochtouristischen Region ist.

Identität und Selbstständigkeit

Die Ungleichheit beim Zugang zu qualitativer Bildung auf den Inseln ist für die multikulturelle Bevölkerung ein grosses Problem. Thailands Regierung hat in der letzten Zeit zahlreiche Schritte unternommen, um allen Kindern im Land Bildung zugänglich zu machen. Ein mehrsprachiger und interkultureller Lehrplan, der die Toleranz und die Achtung der kulturellen Vielfalt fördert, steht jedoch noch aus.

Auf Koh Lanta zeichnen sich seit dem Projektstart im Oktober 2019 deutliche Verbesserungen ab. Saichon La-ngu lehrt an einer der 14 Projektschulen. Er ist davon überzeugt, dass es der richtige Weg ist, den Schüler*innen lokales Wissen zu vermitteln und ihnen dadurch ein Stück Identität mit auf den Weg zu geben: «Unseren Kindern beizubringen, dass sie in der Lage sind, selbstständig zu leben, ist der Schlüssel, der ihnen bessere Chancen eröffnen wird.» Eine Meinung, die auch sein Lehrerkollege Wassanapisut Wisutchollatee teilt. «Das Projekt gibt uns die Möglichkeit, die Weisheit und Geschichte unserer Gemeinschaft zu teilen.» Für die Jugend, die Schulen und die Gemeinschaft sei dies von grossem Nutzen.

Darum geht‘s im Projekt

Das Kernstück des Projektes stellt die Entwicklung zweier neuer Lehrpläne für Primar- und Sekundarschulen dar. Lehrpläne, die auf die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung zugeschnitten sind und die interkulturelle Bildung sowie das mehrsprachige, auf Muttersprache basierende Lernen fördern.

Gemeinsam mit unserer Partnerorganisation «The Center for Documentation and Revitalization of Endangered» bringen wir Expert*innen, lokale Behörden, die Urak Lawoi sowie die Gemeinschaften aus verschiedenen Kulturen Koh Lantas zusammen und ebnen den Weg für gemein­same Kooperationen.

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Saichon La-ngu, Lehrer für lokales Wissen: «Unseren Kindern beizubringen, dass sie in der Lage sind, selbstständig zu leben, ist der Schlüssel, der ihnen bessere Chancen eröffnen wird.»

Halimah Wayladee ist eine von rund 3700 Schüler*innen, die von den neuen Lehrplänen profitieren. Die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Kulturen auf Koh Lanta habe dazu geführt, dass sie sich nicht mehr einer kleinen Minderheit, sondern einer grösseren Gemeinschaft zugehörig fühle. «Ich bin meinen Lehrerinnen und Lehrern dankbar dafür, dass sie mich nicht nur in lokaler Kultur und Geschichte unterrichtet haben, sondern mich auch gelehrt haben, meine eigene Kultur zu verstehen und zu schätzen.»

Lokale Sprache als Basis

Neben der interkulturellen Bildung kommt im Projekt insbesondere auch dem mehrsprachigen, auf Muttersprache basierendem Lernen eine wichtige Rolle zu. Kindergärtner*innen lernen zuerst in ihrer gewohnten Sprache Urak Lawoi und werden dann schrittweise an die Nationalsprache Thai herangeführt. Erfahrungen mit dieser Methode haben gezeigt, dass Kinder viel einfacher eine zweite Sprache adaptieren können, wenn sie zuerst in ihrer Muttersprache korrekt schreiben und lesen lernen.

Nasita Talayluek unterrichtet die lokale Sprache Urak Lawoi. Das Gefühl, zwei Sprachen gleichzeitig lernen zu müssen und doch keine davon wirklich zu beherrschen, ist ihr aus ihrer eigenen Schulzeit noch sehr präsent. «Ich war früher sehr schüchtern und habe mich nicht getraut, in meiner Muttersprache zu sprechen», erzählt sie. Sie ist davon überzeugt, dass die Unterrichtsmethoden im Projekt viele Kinder davor bewahren, dieselben Erfahrungen machen zu müssen. «Es hilft uns, unsere Sprache zu bewahren und das Wissen an die nächste Generation weiterzugeben.»

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